Für Christian ist Schach einfach nur "ein schönes Spiel"

Spieler der SG Turm in Leipzig-Grünau versuchen Langeweile matt zu setzen / Hannes Langrock (11 Jahre) wurde Deutscher Vizemeister

Donnerstag nachmittag. Im "Kirschberghaus" in Grünau werden die Schachbretter ausgepackt, die Figuren aufgestellt. Nach und nach füllt sich der Raum mit Kindern aller Altersgruppen. Training bei der SG Turm Leipzig. Aus der schon seit 1977 existierenden Arbeitsgemeinschaft "Schach" hervorgegangen, hat der erst in diesem Jahr gegründete Verein heute etwa 70 Mitglieder, die sich regelmäßig zu Training und Wettkämpfen treffen. Vereinsziel ist es dabei, vor allem Kindern und Jugendlochen aus dem mit Freizeitangeboten nicht gerade reichlich gesegneten Grünau eine ansprechende Beschäftigung anzubieten, Langeweile und Aggressionen vorzubeugen. Aus diesem Grund unterstützt die SG Turm auch Projekte wie "Verein und Schule" und "Jugend gegen Gewalt".

Im Training vermitteln die zumeist jugendlichen Übungsleiter zunächst die Grundlagen des königlichen Spiels. Anfänger sollen Schach "spielend" für sich entdecken. Später nimmt man sich dann mehr Zeit für die Vermittlung der Schachtheorie. Eröffnungen, Mittel- und Endspiele werden geprobt, Großmeisterpartien und eigene Spiele werden kritischen Analysen unterzogen. Für die Faszination des Schachspiels findet der 11jährige Christian Kläber keine Erklärung. "Es ist einfach ein schönes Spiel. Ich habe einmal damit angefangen, nun spiele ich immer weiter", sagt er. Das schönste für ihn ist freilich, "daß man so tolle Preise gewinnen kann, aber das passiert leider nicht so oft". Immerhin wurde Christian schon Stadtmeister mit der Mannschaft.

Weitaus mehr Erfolg hatte bereits ein anderer 11jähriger aus den Reihen der SG Turm. Hannes Langrock wurde in diesem Jahr Deutscher Vizemeister in seiner Altersklasse. Unter den 76 Teilnehmern aus allen deutschen Ländern hatte er sich eine Platzierung unter den ersten 20 zum Ziel gestellt und dafür Eröffnungen und Endspiele gepaukt. "Ich habe mir während der Partien keine großen Gedanken gemacht", erklärt er. Erst als er in der 6. Turnierrunde sensationell den hochfavorisierten späteren Deutschen Meister Ferenc Langheinrich aus Erfurt bezwang, merkte Hannes, daß es doch noch weiter nach vorn gehen könnte. Über den zweiten Platz herrschte dann natürlich unbändige Freude und Stolz bei allen Vereinskameraden. Mit 7 Jahren lernte Hannes das Schachspielen von seinem Vater, seit nunmehr 3 Jahren ist er schon im Verein dabei. Vielen seiner Schulkameraden ist die Begeisterung für die Denksportart unverständlich, dabei hat auch Hannes "ganz normale" Hobbies: Fußball, Tennis und "das Schwatzen in der Schule", wie er lachend versichert.

Später, bei den Großen der Schachzunft, würde der kleine Pfiffikus gern "ein bissel Geld verdienen". Das sei eben das Schöne beim Schach, es gebe immer eine Menge Preise zu gewinnen, oft sogar für den Letzten. Daß er sich vor den Großen schon heute nicht mehr zu fürchten braucht, belegt sein hervorragender siebter Platz kürzlich beim Herrenturnier in Geithain.

Auf der Suche nach neuen Herausforderungen begibt sich eine 18köpfige Mannschaft der "Türme" im Oktober auf eine Wettkampfreise zu internationalen Einladungsturnieren nach Koblenz, Luxemburg, Eupen, Groningen und Hannover. Neben der Teilnahme an den Turnieren wollen die Übungsleiter aber vor allem die Zeit nutzen, um den Kindern die fremden Gegenden mit ihren Sehenswürdigkeiten näherzubringen.

Natürlich gibt es auch bei der SG Turm Leipzig, wie bei fast allen kleinen Klubs, Probleme, die der Verein nicht ganz allein lösen kann. So beabsichtigt man im "Kirschberghaus" die Einrichtung einer Schachdatenbank, um den Kindern - zu Hause oft selbst mit Computern ausgestattet - einen Wissensaustausch zu ermöglichen. "Ein alter, ausgediehnter Rechner würde uns schon weiterhelfen", so "Turm"-Kassenwart Herr Kläber.

Auch für neue Mitspieler, die Mitgliedschaft im Verein ist keine Bedingung, ist außerdem jederzeit noch genügend Platz. Interessenten jeden Alters sollten sich donnerstag zwischen 16 und 21.30 Uhr im "Kirschberghaus" Grünau melden.

Meyer, Jochen A.

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entnommen aus der "Leipziger Volkszeitung", ??.??.1994